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Messier-Marathon 2004

Januar 2004

Im 18. Jahrhundert verfasste Charles Messier eine Liste von "nebligen" Objekten, die er aus seiner Pariser Sternwarte mit seinem, für heutige Begriffe, sehr bescheidenen Teleskop, beobachten konnte. Diese Liste, die heute als Messier-Katalog bekannt ist (das sind die Objekte mit M-Nummerierung) umfasst je nach Zählung 103 oder 110 Einträge. Messiers Intention war, Verwechslungen zwischen diesen am Fixsternhimmel unbeweglichen Objekten und eventuell zu entdeckenden neuen Kometen vorzubeugen. 

  Charles Messier in seinen besten Jahren


Der Messier-Katalog hat über 200 Jahre fast unbeschadet überlebt und ist bei Hobby-Astronomen sicherlich der bekannteste Katalog für Deep-Sky-Objekte (oder kennt jemand NGC 224, PGC 2557 oder gar UGC 454?). Dies liegt in erster Linie daran, dass er mit wenigen Ausnahmen die lohnendsten Offenen Sternhaufen, Kugelsternhaufen, Galaxien und Emissionsnebel umfasst, die auch mit einem kleinen Teleskop noch gut erreichbar sind.


Im Laufe eines Jahres sind von unseren Breiten aus alle Messier-Objekte beobachtbar. Sporadische Beobachter können ihr ganzes "Astronomen-Leben" hindurch immer wieder einen neuen "Messier" für sich entdecken, häufigere Beobachter werden unter Umständen überrascht feststellen, dass sie innerhalb eines einzigen Jahres alle Messiers (neben vielen anderen Beobachtungsobjekten) abgegrast haben. Die Messier-Objekte sind über den gesamten Nordhimmel verstreut, der sehr helle offene Sternhaufen M 7 im Skorpion ist mit Deklination -34° am südlichsten. Die Verteilung ist selbstverständlich nicht gleichmäßig. Viele der offenen Sternhaufen befinden sich entlang der Milchstraße, auffallend viele Kugelsternhaufen im Schlangenträger und Umgebung, viele HII-Emissionsgebiete z.B. im Schützen und viele Galaxien entstammen dem relativ nahen Virgo-Galaxienhaufen. 


Es gibt auch einen Himmelsabschnitt, etwa um den Frühlingspunkt der Ekliptik herum, der völlig "Messier-frei" ist (siehe Abbildung). In dem Bereich zwischen Rektaszension (RA) 22h 00 und 5h 00 befindet sich kein Messier Objekt südlich des Himmelsäquators (nur M 77 im Walfisch liegt bei RA 2h 42 und Deklination - 00° 01). Weiterhin gibt es überhaupt kein Messier-Objekt im RA-Bereich zwischen 21h 40 und 00h 40 mit einer einzigen Ausnahme: M 52 in der Cassiopeia (welche bei uns zirkumpolar ist, d.h. nie untergeht). Was sagt uns das? Zunächst mal ist das nicht sonderlich spannend, da gibt es eben einfach einen bestimmten Himmelsabschnitt um den Frühlingspunkt herum, in dem helle Deep-Sky-Objekte Mangelware sind. Wie ich oben erwähnte, manche Hobby-Astronomen werden selbst nach langen Jahren des Beobachtens noch auf für sie "neue" Messiers stoßen, andere beobachten einen Großteil des Katalogs im Laufe jedes Jahres. Diese Lücke eröffnet nun eine, zugegebenerweise ziemlich verwegene theoretische Möglichkeit: Wenn nun die Sonne in der Nähe des Frühlingspunkts steht, sollte dies die Beobachtung aller Messiers in einer einzigen Nacht ermöglichen, also einen Messier-Marathon über 110 Sternhaufen, Nebel und Galaxien (ein Doppelstern und eine Vierergruppe von Sternen gehören der Vollständigkeit halber übrigens auch dazu).

   Verteilung der Messiers am Himmel


Vorweg, ich kenne keinen persönlich, der das bisher geschafft hat, andererseits kenne ich auch keinen, der es jemals probiert hat. Es gibt aber eine Reihe von Sternfreunden, die solche Messier-Marathons schon zum Teil mehrfach veranstaltet haben und die erfolgreich in einer Nacht alle 110 Messiers gesehen haben (siehe unten). Was sind nun die Vorgaben für einen Messier-Marathon? Man braucht, natürlich, eine klare Nacht ohne Mond Ende März bis Anfang April. Für 2004 sind die Nächte um den 21. März (Neumond) geeignet, gutes Wetter mit wenig horizontnahem Dunst vorrausgesetzt. Der Beobachtungsstandort sollte optimalerweise zwischen 20° und 40° nördlicher Breite liegen, dann stehen einige schwierige, weit südliche Objekte höher am Himmel. 48° nördl. Breite für Freiburg ist nicht ganz optimal, aber machbar, wenn uns vielleicht auch der ein oder andere der südlichen Messiers durch die Lappen geht. Weiterhin ist freie Sicht nach Süden, Westen und Osten bis zum Horizont natürlich absolute Vorraussetzung. Auf unserer Sternwarte auf dem Schauinsland ist ein Messier-Marathon somit nicht machbar (jedenfalls nicht ohne Motorsäge ). Weit bessere Sichtbedingungen bieten z.B. die Wiesen auf der Halde gegenüber, zwischen Hofsgrund und Stohren (es sei denn die Flutlichtanlagen sind in Betrieb), die auch Ende März bei möglicher Schneelage gut erreichbar sind. 


Wie hat man sich den Ablauf eines solchen Messier-Marathons vorzustellen? Der Marathon ist ein Wettrennen gegen die Sonne und es gibt offensichtlich zwei heiße Phasen. Zum einen in der hereinbrechenden Abenddämmerung, wenn man die Messiers im Walfisch (M 77), den Fischen (M 74), dem Dreieck (M 33) und der Andromeda (M 31 = NGC 224 = PGC 2557 = UGC 454, siehe oben, M 32 und M 110) noch rechtzeitig vor ihrem Untergang erwischen möchte. Sehr kritisch sind da vor allem M 74 und M 77, zwei recht schwache Galaxien, die sehr leicht im Horizontdunst und dem noch nicht völlig dunklen Abendhimmel untergehen können. Deren Position sollte man sich in vorherigen Nächten schon gut einprägen, um sie notfalls quasi blind finden zu können. Die zweite heiße Phase ist im Morgengrauen, wenn man die letzten Objekte im Schützen, im Wassermann und im Steinbock abpasst, sobald sie über den Horizont kommen. Kritisch sind hier die Kugelsternhaufen M 30 und M 72 sowie das Sternmuster M 73, die zum Teil sehr weit im Süden stehen. M 30 wird hier von allen Messiers sicher die größten Probleme bereiten, da er erst kurz vor Beginn der bürgerlichen Dämmerung aufgeht. Der Rest der Nacht ist weit weniger hektisch, man kann sich Zeit lassen und auch Pausen machen. Wichtig für ein erfolgreiches Gelingen ist neben dem Wetter (Daumen drücken) weniger eine möglichst große Teleskopöffnung, sondern vielmehr eine sehr große Vertrautheit mit seinem Teleskop (oder Fernglas) sowie eine effiziente Aufsuchstrategie mit vernünftigen Sucherfernrohren. Hierbei kann die zusätzliche Benutzung eines 1:1 Suchers (Telrad oder Vergleichbares) gerade bei aufgehelltem Himmel über Finden oder Nichtfinden entscheidend sein. Um gleich vorzubeugen: Benutzung von Goto-Systemen gilt als schwerwiegendes Doping und wird hart geahndet!


Die sicher am häufigsten gestellte Frage bezüglich eines Messier-Marathons ist die nach dem Sinn des Ganzen. Was soll das Herumgestochere im Horizontdunst in der Dämmerung, das buchhalterische Abhaken einer vorgegebenen Liste im Laufe der Nacht, ohne Zeit und Muse den Anblick der Nebel, Cluster und Galaxien in Ruhe in sich aufzunehmen? Nun, diese Muse hat man das ganze Jahr über. Der Marathon hingegen bietet die einmalige Gelegenheit, den ganzen Sternenhimmel im Laufe einer Nacht Revue passieren zu lassen. Abends die Galaxien der lokalen Gruppe, dann die Wintersternbilder, der Orionnebel, später die Galaxien im Löwen, im Großen Bären und in den Jagdhunden, gegen Mitternacht der Virgo-Haufen, später die Kugelsternhaufen in Skorpion und Schlangenträger, und zum Schluss die spektakulären Emissionsnebel des Sommers im Schützen. Alles in einer Nacht, mit warmer Kleidung, einer großen Thermoskanne Kaffee, Keksen und möglichst ein paar Freunden, die an dem ganzen genausoviel Spass finden wie man selbst (und die aufpassen, dass keiner mogelt!). Und wer alle 110 Messiers schafft, wird für ein Jahr lang nur noch mit "Sir" angesprochen. Versprochen! 
Weitere Informationen inklusive Aufsuchslisten, Literatur und einer Hall of Fame der erfolgreichen 110-Messiers-Beobachter findet man im Internet z.B. unter http://www.deepskybeobachtung.de/ in Deutsch, sowie unter http://members.aol.com/billferris/marathon.html (sehr empfehlenswerte Seite), http://www.seds.org/messier/ oder http://www.messiermarathon.com/ in Englisch.


Übrigens, es soll inzwischen sogar Leute geben, die den Marathon ohne Sternkarte angehen ... wär' das nichts für 2005?

in Mitteilungen der Sternfreunde Breisgau, Januar 2004

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